Nun geht es also los: Du willst eine eigene Sippe gründen oder übernehmen. Dem Stamm brechen am Übergang zwischen Wölflings- und Pfadfinderstufe zu viele Mitglieder weg, weil das Angebot in der Pfadfinderstufe nicht attraktiv genug ist und sich zu viele Führungskräfte frühzeitig in die Roverstufe zurückziehen? Du willst etwas dagegen tun – gratuliere! Eine gute Entscheidung. Dir stehen schwierige aber auch schöne Zeiten bevor und ich kann im Nachhinein nur sagen: Es lohnt sich! Für den ganzen Stamm, für deine Sipplinge aber auch nicht zuletzt für dich selbst.
 

Aller Anfang ist natürlich schwer und wenn du zum ersten Mal vor deiner Sippe stehst, die dich erwartungsvoll anschaut, wirst du feststellen, dass du (egal, ob du an einem Sifü-Kurs teilgenommen hast, oder nicht) bei Null anfangen musst. Das Ziel in der Pfadfinderstufe, dass die Sipplinge ihre Sippenstunden und Fahrten gemeinsam gestalten sollen, ist zunächst Illusion. Am Anfang bist du es, der den chaotischen Haufen zusammenhalten und beschäftigen muss. Das ist zu Beginn der Sippenarbeit immer so und die große Kunst der Sippenführung ist es, aus einer total heterogenen Gruppe von Jungen oder Mädchen, die sich teilweise anfangs überhaupt nicht sonderlich mögen, eine verschworene Gemeinschaft zu formen, in der jeder für den anderen einsteht und die gemeinsam die tollsten Aktivitäten auf die Beine stellen kann. „Wie soll ich bloß dieses Wunder wirken?“ wirst du dich jetzt fragen. Keine Angst, die Lösung ist so verblüffend einfach, wie effektiv: Mache möglichst viele Fahrten mit deiner Sippe! Nichts schweißt so zusammen und schult die pfadfinderischen Fähigkeiten, wie eine Fahrt. Zunächst wird es die Mittelgebirgs-Umgebung sein, die ihr gemeinsam erforschen und erwandern werdet. Und natürlich werden euch die älteren Stammesmitglieder bei dieser Gelegenheit nachts überfallen. Du wirst an der schlechten Ausrüstung deiner Sipplinge verzweifeln. Du wirst dich mit Einwänden seitens der Eltern herumschlagen müssen, die aus deiner Sicht schwachsinnig sind. Du wirst abends die Kohte zunächst weitgehend alleine aufbauen. Du wirst der Küchenchef sein und kannst dir noch dazu das Gemaule deiner Sipplinge anhören, weil das Essen nicht wie bei Muttern ist. Du musst morgens 6-8 Rucksäcke packen, da sonst keine Chance besteht, das ganze Gerödel verstaut zu bekommen und loszulaufen. Du musst die Heimweh-Attacken deiner Sipplinge abwenden, die sich spätestens einstellen, wenn der Schlafsack nass ist oder sich deine Leute die ersten Blasen gelaufen haben, weil sie es nicht gewöhnt sind, den ganzen Tag auf den Beinen unterwegs zu sein.

Kurz, du bist Sanitäter, Elternersatz, Psychotherapeut, Animateur, Survival-Manager, Navigator und Universal-Problemlöser in einer Person. Und bald wirst du dich entnervt fragen, warum du deine kostbare Freizeit dafür opferst, um mit dieser faulen, unfähigen und dazu noch frechen Bande durch die Lande zu ziehen. Die Antwort ist: Weil du auch anderen die tollen Erlebnisse ermöglichen willst, die du selbst auf Fahrt hattest. Und was auf Fahrt alles für verrückte Sachen passieren. Wenn man morgens losläuft, weiß man nicht, wo man abends die Kohte errichten wird. Außer der groben Laufroute steht eigentlich nichts fest. Alles kann passieren und meistens kommt es dann doch wieder anders, so dass man ständig improvisieren muss. Gemeinsam erlebte Freude und ertragenes Leid wird euch unvergesslich bleiben und aus eurem zusammengewürfelten Haufen einen Kreis von Freunden schaffen.
 

   Die junge Sippe

 

Und es wird immer besser werden mit deiner Sippe. Eines Abends werden dich deine Leute mit einer aufgebauten Kohte überraschen, wenn du vom Wasserholen zurückkommst, oder darauf bestehen, das Abendessen selbst zu kochen. Sie werden anfangen, sich für Karte und Kompass zu interessieren und gespannt deinen Erzählungen von den Abenteuern deiner früheren Fahrten lauschen. Aus den Muttersöhnchen werden allmählich selbstständige und erfahrene Pfadfinder, die es genießen, nicht mehr mit ihren Eltern in den Urlaub fahren zu müssen. Du wirst dich nicht mehr allein unter Idioten fühlen, sondern unter jüngeren Pfadfinder-Freunden und (fast) jeden Blödsinn mitmachen, ohne dass deine Autorität darunter leiden würde. Denn deine Sipplinge haben erkannt, dass sie von dir eine Menge lernen können und dass du nur das Beste für die Gemeinschaft willst – auch wenn du mal streng bist. Nach einigen Fahrten ist auch das Vertrauen der Eltern zu dir gewachsen, hast du doch ein auf´s andere Mal deine Sipplinge gesund und munter zurück nach Hause gebracht. Wenn auch manchmal mit einem kleinen Verband und stets nach Waldbrand duftend. Eure Ziele werden ehrgeiziger werden: Ihr wollt ins Ausland auf Großfahrt gehen, bei einem anspruchsvollen Pfadfinderlauf mitmachen oder ein Stammesprojekt voranbringen. Natürlich wollt ihr auch beim Berichtsabend den tollsten Sketch auf die Bühne bringen, oder bei der Sammelwoche mit einem phänomenalen Ergebnis glänzen.

 

   Die erfahrene Sippe

 

Du als Sifü wirst von deinen Schulkollegen belächelt und für verrückt gehalten werden, weil du in den Ferien mit kleinen Kindern durch den Wald rennst. Aber wenn du dann nach drei Wochen Südlandfahrt mit unschlagbarer Bräune und den abenteuerlichsten Erlebnissen im Gepäck zurück kommst, kannst du gelassen zurücklächeln und aus ehrlichem Herzen entgegnen, dass du dir nichts spannenderes vorstellen kannst, als mit eben diesen Leuten zusammen auf Fahrt zu gehen. Du wirst die entspannte Zufriedenheit spüren, die sich einstellt, wenn du eine Aktion geplant und geleitet hast, an der alle einen Riesenspaß hatten, auch wenn du selbst vor Erschöpfung kaum noch kriechen kannst. Aber du hast bereits schon eine tolle Idee für die nächsten Ferien und in der nächsten Sippenstunde wird erst einmal das Sippenmaterial wieder auf Vordermann gebracht.
Du siehst, eine Sippe zu gründen ist eine anstrengende, aber auch schöne und wichtige Aufgabe, an der du wachsen wirst – zusammen mit deinen Sipplingen. Du musst keine Wunder vollbringen, nur ein Vorbild sein – und für deine Sipplinge bist du ein enormes Vorbild, das vergiss nie. Nur Mut, du schaffst das!

Herzlich "Gut Pfad"

Trampel

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